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Perspektiven eröffnen .... Nachhaltigkeit als Verpflichtung
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Erforschung der Bogenstirm-Hammerhaie

Auf den Malediven lässt sich zum einen beobachten, dass die Bestände an Bogenstirn-Hammerhaien auf dem einen Atoll zurückgehen, während sie auf einem anderen eine hohe Konstanz aufweisen. Diese Feststellung bildet die Grundlage für eine vergleichende Studie zu ökologischen und anthropogenen Faktoren, die zu dieser sehr unterschiedlichen Situation führen. Sind sie bekannt, kann durch geeignete Maßnahmen der Rückgang möglicherweise aufgehalten werden, um das Überleben dieses für das Ökosystem so wichtigen Prädatoren zu sichern. Die Stiftung fördert die Untersuchung mit 2.500 Euro.

Antragsteller

Arne Heydtmann

Masterstudent im Fachbereich Biologie/Chemie

mit dem Schwerpunkt Marine Biologie

in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Experimentelle Aquakultur am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung

Projektbeschreibung

Haie nehmen als Spitzenprädatoren eine zentrale Rolle ein: Sie strukturieren Nahrungsnetze, stabilisieren Beutepopulationen und tragen entscheidend zur Resilienz von Ökosystemen gegenüber Stressoren wie Klimawandel und Überfischung bei. Weltweit sind Haipopulationen jedoch in den vergangenen Jahrzehnten um bis zu 70 % zurückgegangen, was gravierende Folgen für die Stabilität mariner Lebensräume hat.

Vor diesem Hintergrund widmet sich die Masterarbeit von Arne Heydtmann dem plötzlichen Verschwinden der Bogenstirn-Hammerhaie (Sphyrna lewini) im Rasdhoo-Atoll der Malediven. Diese Art ist auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN als „vom Aussterben bedroht“ aufgeführt und aufgrund langsamer Wachstumsraten, später Geschlechtsreife und geringer Reproduktionsraten besonders gefährdet. Bis in die 2010er-Jahre war Rasdhoo unter Taucher:innen weltweit berühmt für regelmäßige Sichtungen großer S. lewini Schulen, die dadurch neben ihrer ökologischen auch eine große ökonomische Bedeutung für die Region hatten. Dass ihre Bestände an einem der bekanntesten Tauchplätze der Malediven innerhalb eines Jahrzehnts nahezu vollständig verschwunden sind, wirft daher dringende Fragen nach den Ursachen und Konsequenzen auf.


Photo © Marinethemes.com

Mit dem Projekt soll die beschriebene Entwicklung wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Konkret wird untersucht, welche ökologischen und anthropogenen Faktoren wie Klimawandel, veränderte Nahrungsverfügbarkeit, illegale Fischerei oder Habitatzerstörung das Verschwinden der Hammerhaie erklären könnten. Ziel ist es, Erkenntnisse über Bedrohungsfaktoren und Habitatpräferenzen von S. lewini zu gewinnen und daraus Empfehlungen für wirksame Schutz- und Managementstrategien abzuleiten. Dieses Wissen ist nicht nur für die Malediven von zentraler Bedeutung, sondern kann auch international zum Schutz dieser hochmobilen und stark bedrohten Art beitragen. Die Aktualität und Relevanz des Projekts wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass die Regierung der Malediven derzeit erwägt, das seit 15 Jahren bestehende Verbot der Haifischerei wieder aufzuheben.

Um besser analysieren zu können, welche Faktoren zu dem Verschwinden in Rasdhoo beigetragen haben, werden zusätzlich zu einer Analyse historischer Daten die aktuell herrschenden Bedingungen mit denen um die Insel Fuvahmulah vergleichen, wo bis heute eine stabile S. lewini-Population beobachtet wird.

Zur Beantwortung der Fragestellungen wird Arne Heydtmann Datenerhebungen im Feld mit umfangreichen Gesprächen mit lokalen Stakeholdern kombinieren. Während der Hauptsaison, in der Sichtungen typischerweise auftreten, wird er auf den Malediven Daten zu Umweltbedingungen und Vorkommen von Sphyrna lewini an den Inseln Rasdhoo und Fuvahmulah sammeln.

Über eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Tauchschulen erhebt er aktuelle und historische Sichtungsdaten aus Logbüchern, Fotos und Videos und führt Befragungen von Taucher:innen sowie „Key Informant Interviews“ mit langjährigen Akteur:innen vor Ort durch, um Veränderungen in Sichtungsmustern und Umweltbedingungen zu dokumentieren.

Parallel dazu werden an beiden Standorten zentrale Umweltfaktoren für Vorkommen von S. lewini quantifiziert: Wassertemperaturen, Riffgesundheit, Fischabundanz und Primärproduktivität. Ergänzend wertet der Masterstudent Satellitendaten der letzten 20 Jahre zu Wasseroberflächentemperaturen und Chlorophyll a Konzentrationen aus. Außerdem installiert er an beiden Inseln jeweils zwei Monate lang eine Multiparametersonde, um Parameter wie pH, Sauerstoff, Trübung, Chlorophyll a und Salinität kontinuierlich zu messen.

Abschließend führt er Interviews mit lokalen Fischern, um Informationen zu Beutepopulationen und potenziellen Bedrohungen durch Beifang zu gewinnen.

Die Veränderungen in Parametern wie Wassertemperaturen oder Strömungsverhältnisse, die die Produktivität in den Lebensräumen von S. lewini beeinflussen, liefern wichtige Hinweise darauf, wie sich marine Arten an Umweltbedingungen anpassen. Daraus lassen sich zentrale Schlussfolgerungen über künftige Schutzstrategien ziehen. Diese Erkenntnisse unterstützen die Entwicklung klimaresilienter Managementansätze zur Stärkung mariner Nahrungsnetze in ihrer Gesamtheit.

Darüber hinaus hat das Vorhaben direkte Relevanz für die lokale Bevölkerung auf den Malediven. Gesunde Hai- und Fischbestände sichern die Lebensgrundlage vieler Fischer:innen und bilden zugleich eine zentrale Säule des Tauch- und Ökotourismus, von dem zahlreiche Inselgemeinschaften wirtschaftlich abhängen. Ein besseres Verständnis der ökologischen Zusammenhänge bietet somit eine wissenschaftliche Grundlage, um nachhaltige Nutzungskonzepte zu fördern und den ökonomischen Wert lebender Haie zu belegen. Die Ergebnisse können außerdem als Argumentationsgrundlage in gesellschafts- und umweltpolitischen Diskussionen dienen, insbesondere im Hinblick auf die geplante Aufhebung des bestehenden Haifischereiverbots auf den Malediven.

Insgesamt trägt das Projekt dazu bei, wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für ein nachhaltiges Meeresmanagement zu entwickeln, das ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Aspekte vereint. Damit leistet es einen konkreten Beitrag zum Erhalt der marinen Biodiversität, zur Stärkung ökologischer Resilienz und zur Anpassung an den Klimawandel sowohl regional auf den Malediven als auch im globalen Kontext des Haischutzes.

Das Projekt wird in enger Kooperation mit lokalen Gemeinschaften und Organisationen auf den Malediven durchgeführt. In Zusammenarbeit mit Partnern des Miyaru Programmes wie der Maldives Ocean Alliance, Women in Fuvahmulah und verschiedenen Tauchschulen werden lokale Akteur:innen aktiv in die Datenerhebung eingebunden und ihre ökologische Expertise genutzt. So entsteht ein wertvoller Wissenstransfer zwischen Forschung und Bevölkerung, der zugleich wissenschaftliche Genauigkeit und Kontextsensibilität sicherstellt. Begleitend werden regelmäßig Outreach und Education Sessions durchgeführt, um Bewusstsein für die ökologische Bedeutung und den Schutzbedarf von Haien zu schaffen und das Interesse an Meeresforschung und Naturschutz zu fördern. Zudem werden Methoden und Kenntnisse an junge Forschende und lokale Interessierte weitergegeben. So stärkt das Projekt langfristig lokale Forschungskompetenzen, fördert Umweltbildung und verankert das Bewusstsein für den Schutz mariner Lebensräume.