Meeresalgen und Seeigel
Während Algen wie die grüne Makroalge "Meerestraube" als Nahrungsmittel im asiatischen Raum stark verbreitet sind, stellt ihr Vorkommen im Mittelmeer als invasive Art eine ökologische Herausforderung dar. Seit 1990 hat sich die Spezies rasant ausgebreitet und zwölf Länder, alle größeren Inseln im Mittelmeer sowie die Kanarischen Inseln im Atlantik kolonisiert. Die Makroalge gilt als eine der 100 schädlichsten invasiven Arten im Mittelmeer. Um sie geht es in diesem Projekt, das mit 1.600 Euro bezuschusst wird.
Antragstellerin
Beatrice Brix da Costa
Doktorandin an der Universität Bremen
Arbeitsgruppe Marine Botanik
Projektbeschreibung
Die invasive Alge hat ein noch weitgehend unerforschtes Potenzial als wertvolle Ressource. Im Gegensatz zu ihrer nah verwandten Art Caulerpa racemosa, welche im indopazifischen Raum gut erforscht und dort als Nahrungsquelle genutzt wird, ist der Anbau und die Nutzung der invasiven C. cylindracea im Mittelmeerraum noch weitgehend unerforscht. Die Untersuchungen in dieser Region beschränken sich auf genetische Studien oder Berichte über die negativen Auswirkungen der Alge auf das Ökosystem.
Bei einem Forschungsaufenthalt in Genua, Italien, will Beatrice Brix da Coste eine Indoor-Kultur von C. cylindracea anlegen und die Auswirkungen der abiotischen Parameter Licht und Temperatur auf die Physiologie (Wachstum, photosynthetische Effizienz) und die biochemische Zusammensetzung (Antioxidantien, Pigmente, Lipide) der Makroalge testen, um Kenntnisse über optimale Kultivierungsbedingungen zu erhalten.
Zudem soll das Co-Kultur-Potenzial mit dem in Italien kommerziell wichtigen Steinseeigel (Paracentrotus lividus) untersucht werden. Seeigel gelten in Italien als Delikatesse und werden meist wild gesammelt, was inzwischen in manchen Regionen zu einem drastischen Rückgang der Populationen geführt hat. Aquakultur der Tiere kann den Druck auf durch Überfischung bedrohte Wildbestände verringern. Zusätzlich könnte eine Co-Kultur beider Organismen ökonomischen Profit von Aquakultur-Betreibern erhöhen und gleichzeitig das Ökosystem entlasten, indem Biomasse der invasiven Alge genutzt wird und natürliche Seeigelbestände geschützt werden.
Da die Ernährungssicherheit in Europa immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist die Erforschung neuer Nahrungsquellen und nachhaltiger Aquakulturverfahren dringend erforderlich. Die geplante Forschung wird wertvolle Informationen über die optimalen Bedingungen für den Anbau der invasiven Alge C. cylindracea liefern. Darüber hinaus wird die Erforschung des Co-Kultur-Potenzials wichtige Erkenntnisse über nachhaltige Anbaupraktiken liefern.
Es werden verschiedene Set-ups getestet: Algen und Seeigel zusammen im gleichen Aquarium, Algen und Seeigel räumlich getrennt, aber im gleichen Wasserkreislauf und Kontrollen mit jeweils nur Seeigeln bzw. Algen. An den Algen werden die gleichen Messungen vorgenommen wie bei den Kultivierungsexperimenten. Zusätzlich werden Biomasse-Bestimmungen der Seeigel durchgeführt. Darüber hinaus erfolgen Beprobungen der Tiere am Ende des Experimentes für biochemische Analysen.
Die Stufen der Umweltparameter, die in den Kultivierungsexperimenten getestet werden, werden im Hinblick sich verändernder Umweltparameter als Folge des Klimawandels gewählt. Die Untersuchung der Reaktionen von C. cylindracea auf verschiedene abiotische Faktoren gibt Aufschluss über die Widerstandsfähigkeit der Alge gegenüber dem Klimawandel sowie über das Potential für zukünftige Verbreitungen. Dieses Wissen kann für die Vorhersage und das Management der Auswirkungen des Klimawandels auf marine Lebensräume wertvoll sein.
Beatrice Brix da Costa postuliert, dass eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist die Ernährungssicherheit angesichts einer stetig wachsenden Weltbevölkerung ist. Der Rückgang der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und die bereits an ihre Belastungsgrenze stoßende Nahrungsmittelproduktion machen es erforderlich, aquatische Nahrungsquellen stärker in den Fokus zu rücken. Die Erforschung von Caulerpa cylindracea als potenzielle Nahrungsquelle für den Menschen könnte eine nachhaltige Alternative darstellen. Dies kann nicht nur zur Ernährungssicherheit beitragen, sondern auch den Druck auf traditionelle Nahrungsressourcen verringern.
Das Forschungsprojekt zielt auch darauf ab, nachhaltige Anbaumethoden für C. cylindracea zu entwickeln. Die Invasion der Alge lässt sich nicht mehr aufhalten. Jahrzehntelange Forschung des Managements von invasiven Rotfeuerfischen im Westatlantik hat gezeigt, dass eine Methode für eine langfristige und nachhaltige Kontrolle der Fischpopulationen die gezielte Fischerei dieser Arten ist. Ähnlich wie beim Rotfeuerfisch bietet auch die Nutzung der ungewollten Biomasse von C. cylindracea als Nahrungsmittel eine sinnvolle und nachhaltige Möglichkeit, die Ausbreitung dieser invasiven Art zu kontrollieren. Dies kann dazu beitragen, die ökologische Balance in den betroffenen Ökosystemen wiederherzustellen und gleichzeitig neue, nachhaltige Nahrungsquellen zu erschließen.
Durch die Identifizierung potenzieller Co-Kultur Möglichkeiten mit heimischen bedrohten Arten wie dem Steinseeigel kann die Forschung zur Entwicklung von Aquakulturmethoden beitragen, die nicht nur ökologisch verträglich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind.
Zusammenfassend kann das Forschungsprojekt signifikante Beiträge zu Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz im Mittelmeerraum leisten, indem es neue Wege zur Nutzung der invasiven C. cylindracea erschließt und nachhaltige Entwicklungsstrategien fördert.