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Perspektiven eröffnen .... Nachhaltigkeit als Verpflichtung
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Seegräser vor Sansibar - die Unterschätzten

Als Seegräser bezeichnet man eine Gruppe mariner Samenpflanzen (ca. 72 verschiedene Arten), die mit Ausnahme der Antarktis in den Küstengebieten aller Kontinente wachsen, wo sie sich zu ausgedehnten Seegraswiesen formieren können. Seegräser stellen zahlreiche wichtige Ökosystemdienstleistungen zur Verfügung. Sie bieten Lebensraum für diverse Tierarten, von denen viele für die lokale und industrielle Fischerei von großer Bedeutung sind. Weiterhin filtern sie das Wasser und verhindern Bodenerosionen. Zugleich gehören Seegraswiesen zu den wichtigsten Kohlenstoffsenken der Erde – sie sind von hoher, noch wenig diskutierter Bedeutung für die Stabilisierung des Klimas. Ungeachtet ihrer lebenserhaltenden Funktionen gehören Seegraswiesen zu den am meisten bedrohten Ökosystemen der Erde.

Antragstellerin

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Marlene Meister

Masterstudentin im Fachbereich 2 (Biologie/Chemie)
im englischsprachigen Studiengang ISATEC (International Studies in Aquatic Tropical Ecology)

Die Stiftung fördert das Vorhaben von Marlene Meister mit 1.600 Euro. Korallenriffe und Mangrovenwälder sind vielfach in den Medien vertreten. Im Vergleich dazu wird Seegraswiesen – ebenfalls Küstenökosysteme – in Presse und Fernsehen kaum Beachtung geschenkt. Auch in wissenschaftlichen Publikationen sind Seegräser stark unterrepräsentiert. Verantwortlich dafür könnte ihr vermeintlich fehlendes Charisma sowie ein Mangel an empirischen Daten sein. Jedoch zeigen Forschungsergebnisse der letzten Jahre immer deutlicher, dass Seegraswiesen zu den wertvollsten Ökosystemen der Erde gehören, mit einem geschätzten finanziellen Wert an Ökosystemdienstleistungen von 19.004 US$ ha-1 a-1 (vgl. Mangroven: 999.0 US$ ha-1 a-1, Korallen: 6.075 US$ ha-1 a-1). Sie gehören zu den produktivsten Ökosystemen der Welt und ihre Fähigkeit, Kohlenstoff zu fixieren und im Sediment zu speichern, macht sie zu einer der wichtigsten Kohlenstoffsenken der Biosphäre. Die Bedeutung von Seegräsern steigt daher zu Zeiten des Klimawandels, und ihre Erforschung ist von hoher Notwendigkeit.

Projektbeschreibung

Der Rückgang des Ausbreitungsgebiets der Seegräser wird auf ca. sieben Prozent jährlich geschätzt. Hauptverantwortlich für den Rückzug sind Umweltveränderungen, zum Beispiel ein erhöhter Nährstoffeintrag ins Wasser, steigende Wassertemperaturen, Sedimentierung und Verlust von Lebensraum. Zum Schutz der Seegräser ist es wichtig, im Detail zu verstehen, welche Mechanismen die räumliche und zeitliche Entwicklung verschiedener Arten steuern. Mithilfe dieser Informationen können dann Modelle entwickelt, Vorhersagen auf verschiedenen Zeitskalen getroffen und zielgenaue Maßnahmen geplant werden.
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Ökologische Modellierung ist ein wichtiges und effektives Mittel, um Schutzmaßnahmen abzuleiten. Eine verbreitete Herangehensweise ist dabei die Erstellung bestimmter Computermodelle, sogenannter „Zellulärer Automaten“. Diese Methode erlaubt es, großflächige Entwicklungen anhand von lokalen Prozessen zu prognostizieren. Das Konzept eines Zellulären Automaten ist relativ einfach und leicht zu verstehen – trotzdem erlaubt diese Methodik, komplexe räumliche Fragestellungen zu erfassen. Dabei berücksichtigt der Zelluläre Automat sowohl Umwelteinflüsse als auch Interaktionen verschiedener Arten.

In ihrer Arbeit nutzt Marlene Meister einen solchen Zellulären Automaten, um die Entwicklung von Seegräsern zu simulieren. Mit dieser Methode sollen Reaktionen auf veränderte Umweltbedingungen extrapoliert und die treibenden Kräfte identifiziert werden. Dies ermöglicht es zu erkennen, wie zukünftige Seegraswiesen vor Sansibar unter verschiedenen Umweltszenarien aussehen könnten. Marlene Meister geht von einem besonders deutlichen Einfluss der Umweltfaktoren Nährstoffeintrag und Wassertemperatur aus. Basierend auf den Ergebnissen können mögliche Managementmaßnahmen konzipiert werden.

Für ein effektives Management ist es essentiell, Reaktionen von Seegraswiesen auf unterschiedliche Umwelteinflüsse zu kennen und vorherzusagen. Dies gestaltet sich jedoch oftmals schwierig. Hochkomplexe biophysiologische Abläufe sowie regionale und artspezifische Unterschiede erschweren einfache Prognosen. Weiterhin spielen inter- und intraspezifische Interaktionen eine wichtige Rolle und beeinflussen die Ausbreitung der Wiesen. Als Folge dieses komplexen Zusammenspiels einzelner Faktoren ist der Erhalt gefährdeter Seegraswiesen schwierig, erst recht sind Versuche zur Wiederherstellung bisher regelmäßig gescheitert. Für ein nachhaltiges Management der Seegraswiesen fehlt vielerorts die Datengrundlage. Methoden, welche die Entwicklung von Seegräsern unter verschiedenen Bedingungen vorhersagen, werden daher dringend benötigt.

Ökologische Modellierung ist eine solche Methode und ihre Bedeutung für das Management von Ökosystemen ist in den letzten Jahren stark gewachsen. IMG 2 Kopie editedMit Hilfe von Computermodellen werden unterschiedliche (anthropogene) Einflüsse dargestellt und Auswirkungen simuliert. Anhand der Modellvorhersagen können anschließend wichtige Managementempfehlungen getroffen werden. Die Modellierung ist in der Regel nicht nur vergleichsweise zügig, sondern auch relativ kostenarm. Zu beachten ist, dass verschiedene Modelltypen unterschiedliche Vor- und Nachteile haben, beispielsweise in Bezug auf ihre Komplexität und Spezifität. Die Entwicklung von Seegräsern mit Hilfe eines Zellulären Automaten zu simulieren, ist ein recht neues und vielversprechendes Verfahren. Während Zelluläre Automaten zur Beschreibung vieler anderer Ökosysteme erfolgreich eingesetzt wurden, liegt keine systematische Arbeit in Bezug auf Seegraswiesen vor. Tatsächlich ist der Zelluläre Automat, der von der Arbeitsgruppe von Hauke Reuter, dem Betreuer von Marlene Meister, entwickelt wird, der erste dieser Art und die Masterstudentin wird ihn erstmals auf ein tropisches Gewässer anwenden.
Die Ergebnisse der Arbeit können helfen, besonders bedrohte Arten oder Gebiete zu identifizieren. Weiterhin können die Auswirkungen unterschiedlicher Umweltbedingungen verglichen und stark problematische Faktoren erkannt werden. Überdies ist die Erforschung besonders günstiger Wachstumsbedingungen möglich. Basierend auf den Ergebnissen der Masterarbeit können Empfehlungen für ein nachhaltiges Management der Seegraswiesen vor Sansibar abgeleitet werden.

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